LAG Niedersachsen: Änderungskündigung für Führungskräfte im „Grade“ unterliegt keinen erleichterten Anforderungen; Verhältnis zum Downgrading-Verfahren
Ein Konzern bringt Branchentarifverträge zur Anwendung. Für den Bereich der übertariflichen Vergütung existiert ein System der Einstufung in AT1 – AT3 („AT“ = außertariflich), geregelt durch Gesamtbetriebsvereinbarung. Über dem AT-Bereich existieren dann „Gradings“ nach dem sogenannten Hay Grade, nach welchem Führungskräfte jeweils einem bestimmten Grade zugeordnet sind, in dessen Rahmen die Vergütung liegen muss.
Eine Verringerung der Vergütung von Mitarbeitern im Grade-Bereich erfolgt in sog. „Downgrading“-Verfahren, welche darauf ausgerichtet sind, dass der Mitarbeiter im Ergebnis freiwillig einen geringer dotierten Vertrag unterzeichnet. Ein solches Verfahren scheiterte in Bezug auf den Mitarbeiter.
Das Unternehmen sprach dann eine Änderungskündigung aus, um den betroffenen Mitarbeiter aus dem „Grading“ herab in den AT-Bereich zu verbringen und berief sich auf eine unternehmerische Entscheidung, die Auswirkungen auf die Stelle des Mitarbeiters gehabt habe. Neben vielen weiteren Punkten war streitig, ob der Arbeitgeber darzulegen hat, dass die angebotenen Konditionen der neuen Stelle angemessen seien. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass das BAG bei Anwendung eines Tarifvertrags von der sog. „Tarifautomatik“ ausgehe, die dem Arbeitgeber weitergehende Ausführungen dazu erlässt, wenn die neue Stelle des Mitarbeiters in einen Tarifvertrag eingruppiert ist. Dies müsse auch für die Gesamtbetriebsvereinbarung AT gelten.
Dem erteilte das LAG Niedersachsen eine Absage:
Die auf der Gesamtbetriebsvereinbarung beruhende Vergütung der außertariflichen Angestellten sei nicht dem rechtlichen Mechanismus einer „Tarifautomatik“ gleichzustellen. Diese beruhe auf der Sonderstellung des Tarifvertrages nach Art. 9 Abs. 3 GG und der Annahme, dass ein grundlegendes Verhandlungsgleichgewicht von Tarifvertragsparteien eine „Richtigkeitsgewähr“ bei der Vergütungsfindung begründen kann. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG seien aber lediglich die Grund-sätze der Lohnfindung mitbestimmt, nicht hingegen die konkrete Lohnhöhe (LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.01.2024, 11 Sa 332/23)
Weiter stellt das LAG auch einen Bezug zum vorangegangenen Downgrading-Verfahren her: Der geringe Grad an Konkretisierung der tatsächlichen Grundlagen sei kritisch zu sehen unter dem Gesichtspunkt, dass der Arbeitgeber zuvor – ohne Ergebnis – versucht hatte, bei unveränderter Tätigkeit einen Prozess des „Downgrading“ beim Mitarbeiter durchzusetzen.

Lars Henze
Rechtsanwalt

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