Eine aktuelle Entscheidung des LAG Hamm (Urteil vom 11.01.2022 – 14 Sa 938/21), gibt Anlass zu einer allgemeinen Warnung. Viele Betriebsräte sind fit im Arbeitsrecht und geben den Arbeitnehmern gute und zutreffende Hinweise. Aber darauf sollte man sich nicht immer verlassen. Insbesondere wenn der Betriebsrat neu ist, fehlen manchmal noch die Kenntnisse. Das kann im Einzelfall tragisch enden.
Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer erklärt, sich nach Erhalt der Kündigung mit dem Betriebsratsvorsitzenden in Verbindung gesetzt zu haben. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass der Betriebsrat per E-Mail über die Kündigung informiert worden sei, eine Betriebsratsanhörung aber nicht stattgefunden habe. Der Betriebsrat wolle der Kündigung auch widersprechen. Der Arbeitnehmer müsse sich daher um nichts weiter kümmern und brauche auch keine Klage einreichen.
Diese Information ist falsch. Auch bei fehlerhafter oder unterbliebener Betriebsratsanhörung muss eine Klage erhoben werden, sonst greift die Fiktion der Wirksamkeit der Kündigung nach §§ 4 Satz 1, 7 KSchG. Der Arbeitnehmer verpasste die Frist. Das Landesarbeitsgericht gewährte auch keine nachträgliche Zulassung der Klage mit der klaren Aussage, der Arbeitnehmer habe nicht die erforderliche Sorgfalt walten lassen:
„Ein Betriebsrat ist nach allgemeiner Auffassung keine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle, so dass dessen unrichtige Auskunft die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht rechtfertigen kann.“
Das LAG hat die Revision zugelassen. Vielleicht hilft das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer noch. Die Entscheidung mahnt gleichwohl zur Vorsicht. Auch wir hören in der Praxis immer wieder falsche Einschätzungen von Betriebsräten. Erst neulich wurde einem Mandanten mitgeteilt, in der 6-monatigen Wartezeit des KSchG müsse keine Betriebsratsanhörung zur Kündigung stattfinden. Grundfalsch. Das ist kein Wunder und auch nicht vorwerfbar, denn Betriebsräte sind Ehrenamtler, die sich ihr Wissen nach und nach selbst aneignen, in der Regel jedoch keine Volljuristen. Den Unterschied muss der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung erkennen.
Lars Henze
Rechtsanwalt